Wenn die Kohlen der nahen Zeche Sophia-Jacoba Hückelhovens Namen in alle Welt tragen, wenn die Maschinen der Erkelenzer Fabriken für unsere Kreisstadt in der ganzen Welt werben, so geben Hilfarther Körbe unserem Namen in ganz Deutschland einen guten Klang. Hilfarther Großhändler sind mit den Erzeugnissen der Korbmacher auf den großen Messen Deutschlands vertreten. Sie verkaufen die Körbe an die Industrie, die großen Kaufhäuser und Spezialgeschäfte, die sie an die Verbraucher weiterleiten. Es war nicht immer so.
Wer hat nicht schon auf Deutschlands Straßen die flinken Lieferwagen, die großen, mit Zugmaschinen bespannten Wohnwagen, hoch mit Körben beladen, gesehen? Es sind die Hilfarther fahrenden Händler, welche die Korbwaren im ganzen Bundesgebiet direkt an die Verbraucher verkaufen. Sie wahren die Tradition eines einst blühenden, aber jetzt stark zurückgegangenen Gewerbes, der fahrenden Kaufleute aus den Kreisen Daun und Wittlich in der Eifel, die in aller Welt Haushaltswaren verkauften und auch einen nicht unbeträchtlichen Teil der Hilfarther Korbproduktion umsetzten. Im Winter fuhren die Hilfarther Großhändler in die Eifel und verkauften den Händlern ihre Ware. Im Frühjahr kamen diese dann mit ihren Wagen nach Hilfarth und beluden sie mit Korbwaren. Die Hilfarther Händler mußten ihnen bis Granterath Vorspann leisten. Um die Jahrhundertwende ließen sich viele von ihnen in Hilfarth nieder. So ist in diesen Jahren der Zuzug der Familien Schaak, Scholtes, Müller, Haas u. a. zu verzeichnen. Sie machten im Winter selbst Körbe; aber wenn das Frühjahr nahte, wurden die Wagen aus den Remisen gezogen, sie wurden geputzt, gestrichen und lackiert. Pferde wurden gekauft und zuletzt die Wagen zum Wohnen hergerichtet und mit Waren beladen. Eines Tages, wenn die Frühlingssonne lachte, dann war es soweit: Auf ging’s zur großen Fahrt.
Frau und Kinder, soweit sie nicht schulpflichtig waren, nahmen im Wagen, der nun bis zum Herbst ihr Heim sein sollte, Platz. Der Vater im derben Manchesteranzug mit der Peitsche in der Hand, trieb das oder die Pferde an, und nun wurde, Abschied winkend, noch einmal durch die Hilfarther Straßen gefahren. Dann ging es über die Hilfarther Rurbrücke der weiten Landstraße entgegen, irgendwohin, bis in die entferntesten Dörfer und Städte Deutschlands. Die hatten alle ihre festen Routen und kamen sich gegenseitig nicht ins Gehege. So fuhren Scholtens nach Norddeutschland, bis nach Schleswig-Holstein, ja, wie mir Hanni Scholten, der vor kurzem gestorben ist, erzählte, hat er seine Tour schon bis Königsberg ausgedehnt. Müllers fuhren gegen Süden bis in die Wiesbadener Gegend, andere nach Mitteldeutschland. Hauptabsatzmarkt war aber das Ruhrgebiet mit seiner Industrie und seiner Menschenzusammenballung. Der Warennachschub wurde ihnen von den Hilfarther Großhändlern bahnlagernd nach bestimmten Stationen geschickt. Ein solcher war fast für alle Ahlen in Westfalen, wo sie in den dortigen Fabriken ihre Emaillewaren kauften. Im Herbst, wenn die Blätter fielen, die rauhen Stürme den Winter ankündigten, kamen sie nach und nach wieder über die Rurbrücke gefahren. Die Ankunft wurde meist feuchtfröhlich gefeiert; denn auf Fahrt war ein anständiger Happen verdient worden. Und das Geld saß jetzt manchmal locker in der Tasche. Es waren biedere Kaufleute, die es durch Tüchtigkeit und Gewerbefleiß zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben. Es sind heute meist ihre Söhne und Nachkommen, die den Handel ausüben; aber es fehlt die Romantik der Landstraße. Mit ihren schnellen Motorfahrzeugen können sie zu jeder Zeit und von jedem Punkt ihre Heimat erreichen. Außerdem fehlt durch den Eisernen Vorhang für manche der Aktionsradius.
Im vorigen Jahrhundert, als in Hilfarth hauptsächlich Wannen gemacht wurden, besorgte der Wannmacher den Absatz seiner Waren zum Teil selbst. Mit der Schubkarre fuhr er seine Wannen auf die näheren Märkte bis nach Roermond und verkaufte sie dort. Den größten Teil aber nahmen die hiesigen Händler ab. Die jetzigen Korbwarenhändler, wie Theißen, Claßen früher Rick, u. a., waren nämlich ehemals Wannenhändler. Sie brachten die Wannen mit der Fuhre zu tausenden auf die weiter gelegenen großen Märkte. Ein Hauptwannenmarkt war Pützchen bei Bonn. Die meisten Wannen wurden nach Köln abgesetzt. Von hier aus wurden sie von dortigen Händlern stromauf und stromab weiter verschickt.
Heute wie früher, Wannen und Körbe müssen hergestellt und verkauft werden, und nur durch ein ersprießliches Zusammenarbeiten von Handwerkern und Händlern wird die Existenz beider Stände gesichert.
Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1954, Seite 73 f.
[Abgeschrieben von Helmut Henßen]