Franz Moll: Hilfarth einst und jetzt

Ein Beitrag zur Heimat­geschichte von Franz Moll.

Über­re­icht von der Kreis- und Stadtsparkasse Erke­lenz aus Anlaß der Wieder­eröff­nung der Zweig­stelle Hil­far­th am 4. April 1960.

Abgeschrieben und mit Anmerkun­gen verse­hen von Hel­mut Henßen.

Geschichte des Dorfes und seiner Bewohner

Hil­far­th, in der Rurniederung gele­gen, ist zweifel­los ein sehr alter Ort, aber seine früh­este Geschichte ist in undurch­dringlich­es Dunkel gehüllt. Fest ste­ht lediglich, daß hier wichtige alte Heer­straßen die Rur kreuzten. Römis­che Krieger, Kau­fleute und Handw­erk­er sind Jahrhun­derte lang diese Straßen gezo­gen, haben hier am Fluß län­geren oder kürz­eren Aufen­thalt genom­men, wovon Boden­funde1, Urnen und Münzen, Zeug­nis abgeben. Was liegt näher, als daß sich Men­schen, eben unsere Vor­fahren, hier am Fluß niederge­lassen haben, um mit den Frem­den Han­del zu treiben oder ihnen ihre Dien­ste anzu­bi­eten, wenn sie nicht schon vorher hier wohn­ten, denn der Name „Hil­far­th“ ist wahrschein­lich keltischen Ursprungs. Von den Römern haben unsere Vor­fahren wahrschein­lich auch die Kun­st des Korbflecht­ens, vor allem des Wan­nemachens erlernt. Plin­ius, ein römis­ch­er Natur­forsch­er, der im ersten Jahrhun­dert nach Chris­tus lebte, erzählt in seinem Werk vom man­nig­fachen Gebrauch der Korb­wei­de für Geräte des Haushalts, des Kriegswe­sens und der Land­wirtschaft. Ger­ade für die Land­wirtschaft erwäh­nt er die Her­stel­lung der so wichti­gen Wanne, lat. van­nus = Getrei­deschwinge. Dieses Gerät, mit zwei Grif­f­en, das hin­ten rund gewölbt ist, dessen Wöl­bung nach vorne sich nach und nach ver­min­dert, hat die Gestalt ein­er Muschel. Das ist die berühmte Hohlmuschel der Ägypter, Athen­er und Römer, auf welche die Alten die Kinder gle­ich nach der Geburt bracht­en. – Die Wanne, oder bess­er „der Wann“ fehlte früher in keinem land­wirtschaftlichen Betrieb, und seine Her­stel­lung, auf die ich später noch zu sprechen komme, bildete bis zum Aus­gang des neun­zehn­ten Jahrhun­derts die Grund­lage eines blühen­den Handw­erks in Hil­far­th. – Kön­nen wir also aus der  ver­mut­lichen Entste­hungszeit Hil­far­ths nur Wahrschein­lichkeitss­chlüsse fassen, so fließen auch in den fol­gen­den Jahrhun­derten die Geschicht­squellen über Hil­far­th nur sehr spär­lich. Lediglich über das ehe­ma­lige Franziskan­erk­loster St. Leon­hard sind einige Quellen vorhan­den, die auch etwas Licht in die Ver­gan­gen­heit des Dor­fes wer­fen. Der katholis­che Pfar­rer Dr. Braun, der von 1869 bis 1886 in Hil­far­th wirk­te, hat 56 Schrift­stücke aus dem Kloster­ar­chiv abgeschrieben. Die Orig­i­nale sind inzwis­chen lei­der ver­loren gegan­gen. Außer­dem hat Pas­tor Braun Aufze­ich­nun­gen nach Angaben damals noch leben­der Ein­wohn­er Hil­far­ths gemacht, die die Auflö­sung und den Verkauf des Klosters erlebt hatten.

Das Kloster zum hl. Leon­hard liegt zwis­chen der heuti­gen Nohlmannstraße, Kloster­straße, Ingel­mannstraße und Bre­ites­traße. Es beherbergte zulet­zt zwölf Non­nen, eine Vorste­herin, „Mater­sche“ genan­nt, und einen geistlichen Rek­tor. Er war Seel­sorg­er der Non­nen und zugle­ich auch Ver­wal­ter des Klosters. Er hat­te den gesamten Schriftverkehr mit Behör­den, Gericht­en, Bauern u. a. zu führen. Aber auch die Hil­far­ther Bauern nah­men ihn als Rechts­bei­s­tand in Anspruch. Für den Pfar­rer aus Brache­len — Hil­far­th gehörte ursprünglich zur Pfarre Brache­len — übte er auch bei den Hil­far­ther Katho­liken die Seel­sorge aus. Die schlecht­en Wegev­er­hält­nisse und das häu­fige Hochwass­er macht­en es den Hil­far­th­ern beson­ders im Win­ter manch­mal unmöglich, ihre Pfar­rkirche in Brache­len zu besuchen.

Wann das Kloster ent­standen ist, läßt sich nicht mehr fest­stellen. Ein undatiertes Schrift­stück, allen Anze­ichen nach von 1738, gibt zwar einige Anhalt­spunk­te. Es han­delt sich um ein Gesuch an den Her­zog von Jülich um Abgaben­be­freiung. Darin heißt es u. a.:

Wahr ist zum ersten, daß auf dem Dorfe Hil­far­th vor 200 Jahren auf dem Hah­nen­dri­esch eine Kapelle ges­tanden, deren Renten und Güter durch her­zogliche Ver­fü­gung an das Kloster abgegeben wor­den sind.

Wahr ist zum zweit­en, daß unser Kloster Sanc­ti Leonar­di in Hil­far­th im drit­ten Jahrhun­dert steht.

Wahr ist zum drit­ten, daß unser Kloster und Kirche vor 100 Jahren abge­bran­nt, wodurch alle Orig­i­nal­doku­mente ver­lustig oder ver­bran­nt sind…

Wahr ist zum fün­ften, daß anno 1641 Kloster und Kirche wieder erbaut wor­den sind…“

Undatiertes Schrift­stück, ver­mut­lich 1738

Dieses Schrift­stück ist der erste schriftliche Nach­weis, daß Dorf und Kloster in der ersten Hälfte des 15. Jahrhun­dert bestanden haben. Auf­fal­l­en­der­weise enthält das in der Zeitschrift des Aach­en­er Geschichtsvere­ins (Band III, S. 297 ff.) abge­druck­te Verze­ich­nis der durch die spanis­chen Kriegsvölk­er in den Jahren 1568 bis 1589 im Her­zog­tum Jülich verübten Kriegss­chä­den den Namen Hil­far­th nicht, obwohl Brache­len mehrmals und andere kleine Ortschaften wie Hück­el­hoven und Lin­dern erwäh­nt sind. In einem dem Kloster entstam­menden Schrift­stück wird auch Klage über erlit­tene Kriegss­chä­den geführt. Wahrschein­lich unterblieb die Erwäh­nung des Namens Hil­far­th wegen der gerin­gen Bedeu­tung und der Armut des Ortes. In Hil­far­th nen­nen alte Leute einen Ort­steil „et Spanisch“2, ohne den Grund dafür zu ken­nen. Vielle­icht läßt sich hier­aus auf die Anwe­sen­heit spanis­ch­er Trup­pen oder Händler schließen.

Die alten Doku­mente geben auch manchen Hin­weis auf das Ver­hält­nis der Dorf­be­wohn­er zu den Klosterin­sassen. Öfters ist es zu Reibere­in und Stre­it­igkeit­en gekom­men über Steuer­frei­heit, Gerecht­same3 und Pachtzahlun­gen. Oder wenn jemand seine „Kuh­beesten“ in die Kloster­ben­den trieb und dadurch Schaden verur­sachte, und wenn der­selbe dann noch für zweiein­halb Gulden Bier aus der Kloster­brauerei trank, ohne zu bezahlen, dann lief das Maß über. In solchen Fällen wurde der Herr von Hor­rich zu Brache­len, der Herr von Leerodt, der Vogt von Heins­berg oder auch in ganz schw­eren Fällen der Her­zog von Jülich als Lan­desh­err angerufen. Abge­se­hen von solchen Stre­it­igkeit­en lebten Non­nen und Dorf­be­wohn­er in bestem Ein­vernehmen. Ja, in den Wirren des Dreißigjähri­gen Krieges sucht­en die Dorf­be­wohn­er mit Kisten und Kas­ten manch­mal Schutz hin­ter den Kloster­mauern. Das Vieh ver­bar­gen sie vor den frem­den Kriegshorden im Kapp­busch. Aber auch das Kloster war nicht „tabu“ gegen die Kriegs­ge­fahren. Im Jahre 1641 bran­nte es rest­los nieder. Auch die Häuser des Dor­fes haben den Krieg nicht über­standen; denn bevor der let­zte Krieg sein Zer­störungswerk voll­brachte, gab es in Hil­far­th kein Haus mehr, das aus der Zeit vor oder während des Dreißigjähri­gen Krieges stammte.

Als am Ende des 18. Jahrhun­derts das linke Rhein­ufer an Frankre­ich fiel, wurde im Namen der Rev­o­lu­tion und der Repub­lik der Hil­far­ther Kon­vent St. Leon­hard gle­ich anderen Klöstern aufgelöst. Der ganze Besitz geri­et 1802 durch Napoleonis­ches Dekret in die Hand des franzö­sis­chen Staates und wurde der Domä­nen­ver­wal­tung Erke­lenz zugewiesen. Diese verkaufte das Kloster 1804 für 3.800 Francs an Lam­bert Hensen4, Hil­far­th. Durch eine Inter­ven­tion des Hil­far­thers Peter Schunk beim dama­li­gen Präfek­ten des Roer-Departe­ments Mechaine in Aachen wurde erre­icht, daß die Klosterkirche mit­samt der Rek­tor­woh­nung aus dem Verkauf her­ausgenom­men und dem Dorfe Hil­far­th über­lassen wur­den. Dieser Besitz bildete das Grund­ver­mö­gen der späteren Pfarre Hilfarth.

Nach dem Wiener Kon­greß 1815 fiel das linke Rhein­ufer an Preußen. Hil­far­th gehörte nun zum Regierungs­bezirk Aachen und zum Kreise Heins­berg. Als Spezial­ge­meinde bildete es mit der Spezial­ge­meinde Porse­len zusam­men die Bürg­er­meis­terei Hil­far­th. Diese war wiederum durch Per­son­alu­nion mit der Bürg­er­meis­terei Drem­men ver­bun­den5. Aus dieser „preußis­chen Zeit“ sind uns Pro­tokoll­büch­er und Bruch­stücke von Chroniken erhal­ten geblieben, die dem Heimat­forsch­er viel erzählen kön­nen. Der mod­erne Men­sch fragt sich wohl, was die dama­li­gen Gemein­de­väter vor hun­dert und mehr Jahren zu berat­en hat­ten. Nun, der Unter­schied gegen heute war gar nicht so groß. Auch damals befaßte sich die Tage­sor­d­nung mit Grund­stück­skäufen und –verkäufen, Straßen- und Brück­en­bau, Unter­hal­tung und Bau öffentlich­er Gebäude, nicht zulet­zt Wohlfahrt­san­gele­gen­heit­en, wenn  sie auch damals andere Namen hat­ten. Auch die über­ge­ord­neten Dien­st­stellen waren vorhan­den. Nur hießen sie damals „der hochwohlge­borene Herr Lan­drat, die hohe Regierung, der allergnädig­ste König“. Wenn es um Gel­dan­gele­gen­heit­en ging, und um die ging es meist, wurde hart um jeden Taler und Groschen gerun­gen. Dann raucht­en die harten Bauern­schädel, und wenn sie dann her­nach ihre Unter­schrift unters Pro­tokoll set­zten, so war das für die meis­ten wohl die härteste Arbeit des Tages. Wenn man sie näm­lich heute betra­chtet, die Unter­schriften der alten Hil­far­ther: Hensen, Mey­nen, Sieben, Pütz, Königs usw., so erken­nt man unschw­er, daß die Schreiber wohl bess­er den Pflug­sterz oder das Wei­den­mess­er zu hand­haben wußten als den Federkiel.

Wenn man so die alten Folianten durch­blät­tert, fall­en einem zwei Wörter ins Auge, die immer wiederkehren: „Kapp­busch“ und „Rur“. Der Kapp­busch war der Schick­sal­swald und die Rur der Schick­sals­fluß für Hil­far­th. Ohne diese bei­den Fak­toren kön­nte man sich ein Leben im alten Hil­far­th gar nicht vorstellen.

Der Kappbusch

Der Kapp­busch6 war ein­er jen­er ural­ten Gemein­schaftswälder, von denen Wohl und Gedeih manch­er Dör­fer abhing, hier Hil­far­th, Brache­len und Lin­dern. Der Kapp­busch reichte von Brache­len bis zur „Schanz“ bei Ratheim und gren­zte hier an andere Waldge­bi­ete, welche die Rurniederung bis nach Hol­land hin ausfüllten.

Hier wucherte in der Niederung zwis­chen Wurm und Rur, zwis­chen Sumpf und Sud, zwis­chen Rohr und Ried der Wild­wuchs des Waldes, wie er den Niederun­gen eigen ist. Doch bot er als All­mende den Einge­sesse­nen großen Nutzen. Da kon­nten sie zu Bau und Brand das nötige Holz hauen oder „kap­pen“. Daher erhielt der Wald seinen Namen „Kapp­busch“ und die Hil­far­ther ihren Spitz­na­men „Kappe­häuer“. Dem Lan­desh­er­rn stand die Jagdgerechtigkeit zu. Die Bauern aber trieben ihr Vieh hier zur Wei­de, die Rosse und Rinder, und die Sauen zur Eichel­mast. Die Wan­nen- und Korb­mach­er fan­den hier wildwach­sende Wei­den als Arbeits­ma­te­r­i­al. Laub und Bucheck­ern wur­den gesam­melt. Der Wald lieferte Zaun- und Pli­esterg­erten, Lehm zum Bauen und zur Ufer­be­fes­ti­gung der Rur.

Alle Nutznießer achteten natür­lich sorgfältig darauf, daß ihre Rechte nicht beschnit­ten wur­den. Der Lan­desh­err hat­te des Wildes acht, die Einge­sesse­nen des Waldes und der Wei­de. Es gab unter ihnen aber Berechtigte und Meist­beerbte. Den let­zteren stand ein größer­er Anteil am Holze zu. Geb­män­ner wiesen auf alljährlichen Holzgedin­gen jedem seinen Anteil am Holze zu. Diese Verteilung regelte die Wal­drolle, die zum ersten­mal im Jahre 1476 genan­nt wird. Wer sich gegen die Wal­drolle verg­ing, der wurde in Poen7 und Strafe genom­men. Da ging es immer hart her, es fehlte nicht an bösen Worten. Friedlichen und besän­fti­gen­den Abschluß aber brachte allem Had­er und Gezänk stets ein Mahl, welch­es nach dem Ged­ing der Beerbten aufge­tra­gen wurde.

Solange der Her­zog von Jülich Lan­desh­err war, kam es immer nur zu einzel­nen Ver­stößen gegen die Wal­drolle. Als aber unser Gebi­et preußisch gewor­den war und die Ortschaften um den Kapp­busch voneinan­der unab­hängige Gemein­den wur­den, ent­bran­nte der Stre­it um die alten Gerecht­samen. Beson­ders lei­den­schaftlich wurde er zwis­chen Hil­far­th und Brache­len geführt. Hil­far­th kämpfte für die alten Nat­u­ral­rechte, während Brache­len auf Teilung drängte. Um 1840 begann der Prozeß, den die Hil­far­ther mit großen Kosten bis zum König laufen ließen, und 1851 unter­la­gen sie doch. Es kam zur Teilung des Waldes. Die Beerbten erhiel­ten 1100 Mor­gen, die Gemeinde Brache­len 550, Lin­dern 50 und Hil­far­th 300 Mor­gen. Und nun war es mit der Her­rlichkeit des Waldes zu Ende, des Waldes, in dem Kaiser8 und Fürsten fröh­liche Hatz auf Hirsch und Sau getrieben, wo 1835 der let­zte Wolf zwis­chen Wurm und Schwalm erlegt wurde, des Waldes, der vie­len Gen­er­a­tio­nen den Leben­sun­ter­halt gegeben hatte.

Rasch war der Rodepflug zur Stelle, und aus dem Wald wurde Kul­tur­land: Ack­er­land, Viehwei­den, Korbweidenkulturen.

Heute sind nur noch Reste des Waldes vorhan­den, näm­lich der Him­merich­er Busch und der Brachel­ner Busch.

Die Rur

(Früher war die nieder­ländis­che Beze­ich­nung „Roer“ üblich)

Sie war hier immer Gren­ze. In der römis­chen Zeit war sie Stammes­gren­ze zwis­chen dem Gebi­et der Ubier und Tun­ger­er. Im Her­zog­tum Jülich schied die Rur hier den alten Jülich­gau vom Mühl­gau. Bis zum Jahre 1802 war sie Diöze­san­gren­ze zwis­chen Köln und Lüt­tich. Bis zum Jahre 1932 war sie Kreis­gren­ze zwis­chen Heins­berg und Geilenkirchen.9 Bis zum Zusam­men­schluß der Großge­meinde im Jahre 1935 war sie noch Gren­ze zwis­chen den Gemein­den Hil­far­th und Hückelhoven.

Der unge­bärdi­ge Fluß, der seine Wild­wass­er von der Eifel her her­an­führt, umfließt in einem weit­en Bogen das Dorf Hil­far­th. Das  Dorf selb­st liegt auf ein­er Boden­welle, die sich von Süd­west­en her hier an den Fluß her­an­schiebt. Daher auch der Name, der in alten Urkun­den „op et Hil­fart“, „op dem Hyl­fart“, „op dem Heil­far­th“, oder im heuti­gen Volksmunde „op et Hel­lvert“ genan­nt wird. „Op“ weist auf die Boden­er­he­bung, „Hil­fart“ auf eine Fart oder Furt am Hell­wege oder Heer­wege hin. Die Boden­welle war aber noch nicht hoch genug, um das Dorf gegen die häu­fi­gen Über­schwem­mungen und das Hochwass­er der Rur zu schützen. Deshalb schützten sich die Bewohn­er durch Dämme und Deiche, so gut sie kon­nten. Der jet­zige Rur­damm von der Rur­brücke bis Brache­len wurde in den Jahren 1868 bis 1873 angelegt. Die Kosten mit dem Erwerb von 36 Mor­gen Land betru­gen 13.000 Taler.

Die infolge des starken Gefälles rasch dahin­schießen­den Fluten unter­spül­ten das Ufer, ris­sen oft große Streck­en guten Ack­er- und Wiesen­lan­des los, wühlten sich nicht sel­ten ein ganz neues Bett und ver­wan­del­ten dadurch viele 100 Ar nutzbaren Lan­des in öde Kies­felder. Dage­gen halfen nur Ufer­be­fes­ti­gun­gen, oder Bat­tun­gen, wie man sagt. Diese mußten ursprünglich von den Anliegern aus­ge­führt wer­den..

Aber schon 1847 erkan­nte der Gemein­der­at, daß diese nicht dazu in der Lage waren und beschloß, daß die Bat­tung Sache der Gemeinde mit Unter­stützung der Regierung sei. Im Jahre 1875 wurde am Schmal­bett ein neues Ver­fahren der Flußreg­ulierung nach einem Entwurf von Bau- und Reg.-Rat Kruse, Aachen, durchge­führt. Eine Haupt­buhne wurde gegen den Strom in das Fluß­bett gebaut. Die Anlage bewährte sich. Damit war ein neues Sys­tem gefun­den, das auch heute noch zur Reg­ulierung von Flußläufen ange­wandt wird.

Das Hochwass­er kam regelmäßig wie die Jahreszeit­en, und die Men­schen hat­ten sich damit abge­fun­den, daß sie dann oft wochen­lang von der übri­gen Welt abgeschlossen waren. Aber manch­mal gab es Katas­tro­phen, die die Men­schen an den Rand des Ruins bracht­en. Aus dem Jahr 1883 wird berichtet, daß das ganze Dorf über­schwemmt war. An der Kirche stand das Wass­er 60 cm hoch. Die Ver­heerun­gen durch das Hochwass­er waren so groß, daß für die Betrof­fe­nen Hauskollek­ten abge­hal­ten wurden.

Die älteren Men­schen erin­nern sich gewiß noch der Hochwasserkatas­tro­phe vom März 1914, als am „Driepool“ das Wass­er die Straße nach Hück­el­hoven in ein­er Länge von 50 m und ein­er Tiefe von 4 m unterkolkt hat­te. Die gegenüber­liegen­den Häuser waren gefährdet. Eine Abteilung Deutzer Pio­niere traf zur ersten Hil­feleis­tung ein.10 Die endgültige Wieder­her­stel­lung hat noch lange Jahre gedauert. Durch den Bau der Talsper­ren in der Eifel und die Flußreg­ulierung­nen sind die Über­schwem­mungen sel­tener gewor­den, durch die let­zte Auf­s­tock­ung des Rursees in Schwamme­nauel wird es vielle­icht soweit kom­men, daß die jet­zige Gen­er­a­tion kein richtiges Hochwass­er mehr erlebt.

Wie schon vorher erwäh­nt, wick­elte sich der Verkehr über die Rur in den früheren Jahrhun­derten durch eine Furt ab. Diese befand sich nach meinen Fest­stel­lun­gen an der „Bleek“, oder wie man heute sagt, am „Kies­play“. Im Jahre 1770 baut­en die Hil­far­ther hier die erste Holzbrücke.11 Diese aber wurde im Jahr 1793 von den kaiser­lichen Trup­pen abge­brochen, als die franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion­strup­pen sich in der Schlacht bei Alden­hoven am 1. März den Über­gang an der Rur erkämpften12.

Im Jahr 1830 wurde an der Stelle der jet­zi­gen Rur­brücke wieder eine Holzbrücke gebaut.13 Man ver­suchte, Hück­el­hoven an den Kosten zu beteili­gen, da ja die Brücke zur Hälfte auf Hück­el­hoven­er Gebi­et lag. Aber Hück­el­hoven weigerte sich zu zahlen, wahrschein­lich war die Gemeinde finanziell noch schwäch­er als Hil­far­th. Man ver­suchte Brücken­zoll zu erheben. Das wurde von der Regierung ver­boten, weil es sich um eine Com­mu­nal­brücke han­delte. Die Brück­en unter­halb in Ratheim, Vlodrop,

Odilien­berg erhoben alle Brücken­zoll, aber es waren Pri­vat­brück­en, während die Brück­en ober­halb in Lin­nich, Jülich und Düren Staats­brück­en waren. Als nun in den vierziger Jahren die Eisen­bahn Aachen – Düs­sel­dorf gebaut wurde, roll­ten die schw­eren Bau­fuhrw­erke über die Brücke. Kurz­er­hand schloß man für fremde Fuhrw­erke die Brücke und wies ihnen die alte Furt wieder zu. Aber auch mit dieser Maß­nahme hat­ten sie keinen Erfolg. Sie mußten die Brücke wieder öff­nen. So kam es, daß schon 1852 eine Reparatur von 1500 Talern notwendig war.

Die let­zte gründliche Reparatur dieser Brücke führte der Wag­n­er Lud­wig Lemar­ié aus Hil­far­th im Jahre 1887 mit einem Koste­naufwand von rund 5000 Mark durch, woran sich auch Hück­el­hoven mit ca. 500 Mark beteiligte.

1921 beschloß der Gemein­der­at, die Brücke nicht mehr zu repari­eren, son­dern eine neue Brücke aus Eisen­be­ton zu bauen. Aber augen­blick­lich herrschte ein der­art wirtschaftlich­er Tief­s­tand, daß an den Bau nicht zu denken war. Da kam 1923 der Ruhrein­marsch der Fran­zosen und im Anschluß daran der pas­sive Wider­stand der Deutschen. Alle Räder standen still, aber die Gelder für öffentliche Baut­en flossen reich­lich. Es kam gün­stig aus, daß die Per­son­alu­nion mit Drem­men aufge­hoben wurde, und Hil­far­th bekam den jun­gen taten­dursti­gen Bürg­er­meis­ter Bell, der sofort die Sache in die Hand nahm. Mit dem Bau wurde die Fir­ma Rossel & Cie. aus Bre­men, die hier an der Zeche arbeit­ete, beauf­tragt. Die Hil­far­ther Bauern und Fuhrleute leis­teten Span­n­di­en­ste und holten die Bau­ma­te­ri­alien vom Rhein und sonst­wo her. Am 15.9.1924 sollte die Brücke fer­tig sein; aber im Feb­ru­ar 1924 kon­nte sie schon dem Verkehr übergeben werden.

Als im Herb­st 1944 die Kriegs­fu­rie ins Rur­tal getra­gen wurde, hat­te die Brücke strate­gis­chen Wert. Sie war das Ziel zahlre­ich­er Bombe­nan­griffe, wurde aber nicht zer­stört, nur beschädigt und kon­nte nach dem Kriege, wenn auch mit Ein­schränkun­gen, sofort wieder benutzt wer­den. Am 8. Mai 1949 war sie wieder hergestellt und wurde als „Michaels­brücke“ gewei­ht und dem Verkehr übergeben.

Nicht wichtig — aber interessant

Noti­zen aus dem alten Hil­far­th des 19. Jahrhunderts:

Aus dem Schulleben. – Die Bürg­er­meis­tereiräte von Hil­far­th und Drem­men faßten 1848 den Beschluß, sämtlichen Lehrern an allen Schulen ein ein­heitlich­es Jahres­ge­halt von 130 Talern zu zahlen.

In den Jahren 1850 – 52 baute die Gemeinde Hil­far­th zwei Schulen, eine katholis­che Schule auf dem ehe­ma­li­gen Klostergelände an der jet­zi­gen Nohlmannstraße, eine evan­ge­lis­che Schule mit Spritzen­haus an der jet­zi­gen Marien­straße – Brückstraße.

Der Gemein­der­at von Hil­far­th beschloß 1852, das von der Regierung in Aachen her­aus­gegebene „Amtliche Schul­blatt“ zu beziehen und auch der Lehrerschaft Ein­blick darin zu gewähren.

Straßen­bau: — Im Jahre 1852 wurde eine ger­ade Straße von Lin­nich über Brache­len, Hil­far­th nach Wassen­berg gebaut. Das bedeutete für Hil­far­th Anschluß an die großen Verkehrsstraßen.

Von der Post: — Im Jahre 1852 wurde der erste Post­briefkas­ten in Hil­far­th auf Kosten der Gemeinde ange­bracht. Die hiesige Posta­gen­tur erhielt im Jahre 1883 Telefonanschluß.

Indus­trie und Soziales: — Im Jahre 1884 wurde in Hil­far­th eine Strick­waren­fab­rik aufgemacht, die zunächst 25 Arbeit­er beschäftigte, sich aber bis 1896 auf 100 Arbeit­er ver­größerte. Im Jahre 1885 wurde die Ort­skrankenkasse Hil­far­th-Ratheim gegrün­det. Die Beiträge betru­gen für männliche Arbeit­nehmer wöchentlich 18 Pf., für weib­liche Arbeit­nehmer 12 Pf. und für Lehrlinge 9 Pf., 50 Pf. und 40 Pf.

Straßen­beleuch­tung: — Die erste Straßen­beleuch­tung bekam Hil­far­th im Jahre 1895. Der Gemein­der­at schaffte zu diesem Zwecke 16 Petro­le­um­later­nen zum Preise von 662 Mark an und ließ sie in den Straßen anbringen.

Wannemacher und Korbmacher

Weite Korb­wei­den­felder und hohe Pap­peln prä­gen das Land­schafts­bild der Rurniederun­gen. Korb­wei­den und Pap­peln bilden die Grund­lage für zwei uralte Gewerbe, die hier betrieben wer­den. Pap­peln liefern das Holz für Holzschuhe – „Klompe“ – die Korb­wei­den sind das Roh­ma­te­r­i­al für den Korb­mach­er. Die Holzschuh­mach­er sind aus­gestor­ben. Der Led­er­schuh hat den Holzschuh verdrängt.

Die Korb­mach­er aber üben ihr Gewerbe wie vor Jahrhun­derten aus. Hil­far­th ist der Mit­telpunkt der Korb­mach­er an der Rur. Während in den meis­ten Orten an der Rur fast nur graue Körbe für Indus­trie und Land­wirtschaft hergestellt wer­den, stellen die Hil­far­ther Korb­mach­er fast nur weiße Körbe aus geschäl­ten Wei­den in allen For­men und für alle Zwecke her. Die Korb­macherei hat dem Dorf und seinen Bewohn­ern ihren Stem­pel aufge­drückt, und wenn auch die nahe Zeche Sophia Jaco­ba und die Glanzstof­fw­erke Ober­bruch heute vie­len Men­schen Arbeit und Brot geben, wenn auch die Bergar­beit­er­sied­lun­gen immer tiefer in das Orts­bild hineinwach­sen, so bleiben doch boden­ständi­ge Men­schen dem alten Handw­erk mehr oder weniger verwach­sen. Oder sollte es jet­zt zu ein­er echt­en Krise kom­men, die den Korb­mach­er den Weg des Holzschuh­mach­ers gehen läßt? – Schon immer war das Handw­erk Kon­junk­turschwankun­gen unter­wor­fen. Seit Jahrhun­derten hat­ten die Korb­mach­er gute und schlechte Jahre. Nach dem let­zten Kriege set­zte eine Blütezeit ein; denn es herrschte ein großer Nach­holbe­darf. Noch vor drei Jahren saßen in Hil­far­th etwa 250 Korb­mach­er auf den „Plank“, das ist die Arbeits­bank. Dann kamen Ein­fuhren bil­liger, wenn auch min­der­w­er­tiger Korb­waren aus den Ost­block­staat­en und erschüt­terten das Preis­ge­füge. Dazu wurde der Markt mit Kun­st­stof­ferzeug­nis­sen als Ersatz für Korb­waren beschickt. Das führte bei den Korb­mach­ern an der Rur zu ein­er Absatzkrise, die heute noch beste­ht. Viele, beson­ders jün­gere Korb­mach­er, ver­ließen die „Plank“ und gin­gen zur Zeche oder in die Indus­trie. Augen­blick­lich mögen noch etwa 80 Korb­mach­er ihrem Beruf treu geblieben sein, und die alten Meis­ter sind zuver­sichtlich. Sie glauben, daß auch in Zukun­ft wie früher sich die Hil­far­ther Qual­ität­sar­beit wieder durch­set­zen wird. Jed­er Heimat­fre­und wird ihnen die Dau­men hal­ten; geht doch das Handw­erk, wie ein­gangs schon erwäh­nt, vielle­icht aus der Römerzeit her­vor. In früheren Jahrhun­derten waren es die Wan­nemach­er14 , die den Ruf Hil­far­ths hin­aus in die Welt tru­gen. Im 18. Jahrhun­dert war jed­er zweite männliche Ein­wohn­er Hil­far­ths  Wan­nemach­er, „van­no­rum artifex“ = Wan­nenkün­stler, wie sie in alten Heirats- und Ster­bereg­is­tern in der Kirche in Brache­len einge­tra­gen sind. Um 1760 hat­te Hil­far­th 550 Ein­wohn­er. Davon waren min­destens 70 Wan­nemach­er. Bei ein­er Tagesleis­tung von zwei Wan­nen und 200 Arbeit­sta­gen mögen sie etwa 30.000 Wan­nen hergestellt haben. Diese Zahl gibt uns ein Bild von der dama­li­gen Bedeu­tung dieses Handw­erks. Die Ware wurde von Händlern an den Rhein gebracht, von wo sie ihren Weg zu den Bauern in ganz Deutsch­land fan­den. Die Wan­nemach­er selb­st bracht­en auch auf Hand­kar­ren ihre Erzeug­nisse nach Pütz­gen bei Bonn, wo alljährlich der größte land­wirtschaftliche Markt stat­tfand. In der zweit­en Hälfte des vorigen Jahrhun­derts griff das Maschi­nen­zeital­ter immer  mehr auch in die Land­wirtschaft über, und der „Wann“ wurde allmäh­lich über­flüs­sig. Dadurch ging das Handw­erk ein, und aus den Wan­nemach­ern wur­den Korb­mach­er. Nur die „Wan­nemach­er­straße“ erin­nert noch an das ein­mal blühende Handw­erk. Hof­fen wir mit den Korb­mach­ern, daß ihnen das Schick­sal der Wan­nemach­er erspart bleibt.

Besiedlung

Während bis zur Jahrhun­der­twende der Ort sich auf das Gelände östlich der „Steene­brück“ und der „Moll“ (Flut­graben) beschränk­te, griff er zu Beginn des 20. Jahrhun­derts zum ersten­mal über diese Gren­ze hin­aus. Es wur­den die Häuser an den „Heck­en“ (Kap­phof­s­traße) gebaut.  Doch blieb im all­ge­meinen bis zum Ersten Weltkrieg die Bautätigkeit ger­ing. Erst zwis­chen den Weltkriegen  set­zte sie stärk­er ein. An der Goethe‑, Schiller- und Kleist­straße ent­standen die ersten Häuser. Die Sied­lung an der Call­straße wurde gebaut, und die Rei­he Häuser an der Brachel­ner Straße gegenüber dem Wei­den­platz wuchs über das bish­erige Orts­bild hin­aus. Auftrieb in Bautätigkeit gab die rasche Aufwärt­sen­twick­lung der Zeche Sophia Jaco­ba. Diese führte dann ja auch im Jahre 1935 zum Zusam­men­schluß der Gemein­den Hück­el­hoven-Ratheim. Damit geri­et Hil­far­th in den wirtschaftlichen Sog der Fördertürme und in die Entwick­lung zur Indus­triege­meinde. Aber diese wurde durch den Zweit­en Weltkrieg jäh gestoppt. Hil­far­th, das 1944 – 45 drei Monate in der Kampf­front lag, wurde zer­stört. Die Bewohn­er fan­den, als sie aus der Evakuierung zurück­kehrten, ein ver­mintes Trüm­mer­feld vor. Aber jet­zt zeigte sich der alte Pio­niergeist und die Heimatliebe der alten Hil­far­ther. Mit unge­broch­en­em Mut und mit den prim­i­tivsten Mit­teln beseit­igten sie die ärg­sten Schä­den, und nach der Währungsre­form 1948 dauerte es nicht lange, und Hil­far­th stand wieder. Nun set­zte aber auch eine rege Bautätigkeit ein. Die „Rheinis­chen Heim­stät­ten“ baut­en die Sied­lung an der Uhland­straße, dann an der Kleist­straße. Allmäh­lich schlossen sich die Baulück­en an den „Dichter­straßen“ durch Geschäfts- und Pri­vat­baut­en. Dann begann man 1953 zwis­chen Kleist­straße und Him­merich­er Weg mit der großen Bergmannssied­lung, die 1955 vol­len­det wurde und 468 Woh­nung­sein­heit­en umschloß. Es fol­gten in den let­zten Jahren die land­wirtschaftliche Sied­lung west­lich des Sport­platzes und zulet­zt die Sied­lung an der „Schliek“. Bei­de Sied­lun­gen beste­hen nur aus Eigenheimen.

Die Ein­wohn­erzahlen stiegen natür­lich entsprechend. Fol­gende Zahlen geben ein Bild: Ende des 18. Jahrhun­derts hat­te Hil­far­th ca. 600, Ende des 19. Jahrhun­derts ca. 1600 und zu Beginn des Zweit­en Weltkrieges ca. 2000 Ein­wohn­er. Jet­zt ist die Ein­wohn­erzahl auf über 4500 gestiegen.

Gle­ichzeit­ig mit dem Wieder­auf­bau und der Erschließung von neuem Baugelände wur­den auch die Straßen aus­ge­baut. Heute hat ganz Alt-Hil­far­th vor­bildliche Straßen bis auf die fehlen­den oder man­gel­haften Bürg­er­steige, was sich beson­ders auf der verkehrsre­ichen Bre­ites­traße für die Fußgänger übel auswirkt. In den neuen Ort­steilen muß wohl erst die Kanal­i­sa­tion durchge­führt sein, ehe man die Straßen zeit­gemäß herstellt.

Nicht vergessen dür­fen wir in diesem Zusam­men­hang die Bebau­ung der Hil­far­ther Straße zwis­chen Hil­far­th und Hück­el­hoven. Früher gab es jen­seits der Rur­brücke nur einige Häuser, die eigentlich zu Hück­el­hoven gehörten, deren Bewohn­er sich aber stets als Hil­far­ther fühlten. Dann begann bis zum Bah­nüber­gang das „Nie­mand­s­land“. Als man aber die ehe­ma­lige „Fer­kesstraße“ zu ein­er mod­er­nen Verkehrsstraße aus­ge­baut hat­te, ent­standen bei­der­seits Industrie‑, Geschäfts- und Pri­vat­baut­en. Die Zeche baute eine große Wohn­sied­lung für Beamte und Angestellte, und jet­zt sind nur noch wenige Baulück­en vorhan­den. Die „städte­bauliche“ Verbindung zwis­chen Hil­far­th und Hück­el­hoven ist hergestellt.

Kirchen und Schulen

Durch bis­chöflich­es Dekret vom 1.3.1804 wurde Hil­far­th von der Mut­terkirche Brache­len abge­tren­nt und zur selb­ständi­gen katholis­chen Pfarre erhoben. Die ehe­ma­lige Klosterkirche wurde Pfar­rkirche. Weil sie zu klein war, wurde sie 1850 durch Anbau in der Länge auf die dop­pelte Größe erweit­ert. Um die Jahrhun­der­twende war sie wieder zu klein gewor­den, und unter Pfar­rer Nohlmanns begann man 1904 mit dem Bau der jet­zi­gen Pfar­rkirche. Bere­its im Herb­st 1906 zog man in das neue Gotte­shaus ein, während die feier­liche Kon­sekra­tion erst im Jahre 1911 erfol­gte. War es Weit­blick oder nur from­mer Glaube, der den begüterten Pfar­rer Nohlmanns bewog, ein so großes Gotte­shaus mit seinem 65 m hohen Turm zu bauen? Jeden­falls kann die heutige Gen­er­a­tion ihm dankbar sein, daß er damals den „Dom des Rur­tales“ errichtete; denn trotz des enor­men Zuwach­ses an Katho­liken ist die Kirche noch groß genug.

Im Kriege erlitt die Kirche durch Bomben und Aribeschuß starke Beschädi­gun­gen an Turm, Dach, Gewölbe und Fen­stern. Auch die Innenein­rich­tung wurde zum größten Teil zer­stört. Nach der Rück­kehr aus der Evakuierung hielt man zunächst Gottes­di­enst in einem Saal der Strumpfwaren­fab­rik ab; dann richtete man das alte Pfar­rhaus als Notkirche ein. Aber im Früh­jahr 1948 ging man daran, die vom Krieg geze­ich­nete Kirche wieder instandzuset­zen. Den vere­in­ten Anstren­gun­gen aller Ort­seinge­sesse­nen gelang es, das Gotte­shaus vor dem Ver­fall zu ret­ten und wieder so weit herzuricht­en, daß am Son­ntag, dem 22.8.1948 der erste Gottes­di­enst in der Par­rkirche stat­tfand und das Gotte­shaus feier­lich wieder sein­er früheren Bes­tim­mung übergeben wer­den konnte.

Aber noch blieben gewaltige Arbeit­en zu leis­ten  und große Opfer zu brin­gen, um die Kirche voll­ständig wieder­herzustellen. Es spricht für den Opfersinn der Pfar­rkinder, daß in den darauf­fol­gen­den Jahren der Turm einen neuen Kupfer­helm bekam und das mit Blechen not­dürftig geflick­te Dach neu beschiefert wurde. Das Innere der Kirche wurde voll­ständig ren­oviert, eine neue Orgel wurde angeschafft, das Glock­en­geläut wurde durch eine Lei­h­glocke aus den Ost­ge­bi­eten und eine neue Glocke ver­voll­ständigt, ein neuer Altar krönte das Werk im Innen­raum der Kirche. Erst vor weni­gen Wochen wur­den die Stahlgerüste ent­fer­nt, die den Turm bis zum Helm umschlossen. Stein­met­ze und Mau­r­er hat­ten am Turm die let­zten Kriegss­chä­den beseit­igt. Aber noch sind Opfer zu brin­gen. Auch die übri­gen Mauern der Kirche sind beschädigt, 25 große Fen­ster sind noch mit ein­fachem Fen­ster­glas ver­glast, usw. Doch wir hof­fen, daß im Laufe der Zeit auch die let­zten Schä­den beseit­igt werden.

Die evan­ge­lis­che  Gemeinde Hil­far­ths gehörte von je her zur Pfarre Hück­el­hoven. Als aber in den let­zten 5 – 6 Jahren die Gemeinde immer größer wurde, kam der Pfar­rer den Gläu­bi­gen ent­ge­gen und hielt son­ntags auch in Hil­far­th einen Gottes­di­enst ab. Dieser fand entwed­er in einem Wirtshaus­saal [„Siebes Saal“] oder im katholis­chen Jugend­heim statt. Man begann aber damals schon den Bau ein­er Kirche in Hil­far­th zu pla­nen. Am 29.2.1957 kon­nte der erste Spaten­stich stat­tfind­en; am 24.7.1958 war Richt­fest; und am 7.6.1959 wurde die „Trini­tatiskirche“ an der Goethes­traße eingewei­ht. Sie ist ein mod­ernes Gotte­shaus mit Gemein­de­saal und Woh­nung für den amtieren­den Diakon. Damit hat­te auch der Opfersinn der evan­ge­lis­chen Gemeinde reiche Früchte getragen.

Beson­ders hat sich der Bevölkerungszuwachs auf die Schule aus­gewirkt. Die meis­ten Hil­far­ther Neubürg­er sind ver­hält­nis­mäßig junge Leute mit bemerkenswert vie­len Kindern. Beispiel­sweise hat Hil­far­th unge­fähr 1000 Ein­wohn­er weniger als Ratheim, aber es hat mehr Schulkinder. Bis vor weni­gen Jahren waren die katholis­che und die evan­ge­lis­che Schule in ihren alten his­torischen Gebäu­den unterge­bracht. Zwar war die katholis­che Schule im Jahre 1892 aufge­stockt und auf vier Klassen erweit­ert wor­den, aber bei­de Schulen waren zu klein; es mußte schon Schich­tun­ter­richt ein­gelegt wer­den. Als der Bau der Bergmannssied­lung beschlossen war, plante der Rat vor­sor­glich die Errich­tung ein­er neuen achtk­las­si­gen katholis­chen Volkss­chule. 1953 wurde mit dem Bau an der Uhland­straße, nach den Plä­nen des inzwis­chen ver­stor­be­nen Pro­fes­sors Schoepen aus Aachen, begonnen. Bere­its am 8.9.1954 wurde die einzi­gar­tige mod­erne Schule bezo­gen. Am 7.1.1955 fand die feier­liche Ein­wei­hung statt. Die evan­ge­lis­che Schule siedelte in die ehe­ma­lige katholis­che Schule an der Nohlmannstraße über. Aus der früheren evan­ge­lis­chen Schule an der Brück­straße wurde die erste Übungswerk­statt für Korb­mach­er in Nor­drhein-West­falen. Inzwis­chen wur­den bei­de Schulen wieder zu klein. Die Schule an der Uhland­straße wurde um einen Trakt (von vier Klassen) auf zwölf Klassen im Jahre 1959 erweit­ert. Vor­läu­fig wur­den davon zwei Klassen der evan­ge­lis­chen Schule zur Ver­fü­gung gestellt. 1958 aber wurde bere­its der Bau ein­er achtk­las­si­gen evan­ge­lis­chen Schule beschlossen. Sie soll an der Brachel­ner Straße zwis­chen Sport­platz und Gemein­de­fried­hof entste­hen. Mit dem Bau soll jet­zt begonnen wer­den. Ist sie fer­tig, und sind an der Uland­straße die vorge­se­hene Turn­halle mit Lehrschwimm­beck­en und die Pausen­halle ein­mal erstellt, und wenn uns dann die Regierung noch die nöti­gen Lehrkräfte zur Ver­fü­gung stellt, dann haben wir in Hil­far­th ide­ale Schulverhältnisse.

Über­haupt entste­ht hier an der Naht­stelle zwis­chen dem alten und dem neuen Teil Hil­far­ths mit ein­er Kirche, zwei Schulen mit Turn­halle und dem Sport­platz ein Kul­turzen­trum, das geeignet ist, die bei­den Ort­steile nicht nur äußer­lich, son­dern auch inner­lich miteinan­der zu verbinden. Hier muß der Schmelztiegel sein, der aus allen Men­schen, gle­ichviel woher sie kom­men und wo sie wohnen, das macht, was sie  sein sollen, näm­lich „Hil­far­ther Bürger“.

Wirtschaft

Aufmerk­sam haben Hil­far­ther und auch auswär­tige Geschäft­sleute die enorme Entwick­lung Hil­far­ths in den Nachkriegs­jahren ver­fol­gt. Sie baut­en ihre Geschäfte aus und mod­ernisierten sie. Neue Geschäfte ent­standen, und heute schon zeich­nen sich zwei Geschäft­szen­tren ab. Da ist ein­mal das Geschäftsvier­tel an der Tan­nen­straße und zum zweit­en die Bre­ites­traße. Aber auch in den Neben­straßen ist man nicht müßig. Man kann jet­zt schon sagen, daß die gut­sortierten Hil­far­ther Einzel­händler aller Branchen in der Lage sind, alle Wün­sche ihrer Kun­den preiswert und gut zu erfüllen.

Gut geleit­ete Handw­erks­be­triebe mit geschul­ten Fachkräften ste­hen mit ihrem handw­erk­lichen Kön­nen der Kund­schaft zur Verfügung.

Auch die Indus­trie hat wieder Einzug in Hil­far­th gehal­ten. Ein namhaftes Unternehmen hat die ehe­ma­lige Strumpf­fab­rik über­nom­men (eine kleine Strumpf­fab­rik existiert immer noch) und betreibt in den Räu­men, die sie noch ständig ver­größert und aus­baut, eine Pol­ster­waren­fab­rik. Über 100 Men­schen sind hier beschäftigt.

In diesem Zusam­men­hang dür­fen wir die Ärzte und die Apotheke nicht vergessen, die um das Wohl unser­er Kranken besorgt sind und für die Gesun­der­hal­tung unser­er Bevölkerung sorgen.

Die Gesel­ligkeit wird in behaglichen Gast­stät­ten bei sym­pa­this­chen Wirten und Wirtin­nen gepflegt. Den Hil­far­th­ern sagt man nach, daß sie wohl einen Groschen Geld zu ver­di­enen wis­sen, daß sie es aber auch ver­ste­hen, einen Groschen auszugeben. Große und kleine Säle sind vorhan­den, die sich für Fes­tlichkeit­en aller Art eignen. Und Feste ver­ste­ht man in Hil­far­th zu feiern. Ein mod­ernes Licht­spielthe­ater bietet den Hil­far­th­ern Entspan­nung und Erhol­ung. Hier wer­den die Film­fre­unde mit dem Film­schaf­fen der ganzen Welt bekan­nt gemacht.

Wenn nun ein Geldin­sti­tut als Zweig­stelle der Stadt- und Kreiss­parkasse in Hil­far­th seinen Einzug hält, so kommt es nicht als Fremdling zu uns. Bere­its vor dem Kriege unter­hielt im ehe­ma­li­gen Rathaus15 diese Kasse eine Zweigstelle.

Nach dem Ersten Weltkriege über­nah­men die Kreiss­parkasse die Kon­ten des „Vere­ins zur Förderung der Arbeit­samkeit“ in Aachen. Das war für Hil­far­th damals die Kreiss­parkasse in Heins­berg. Als 1932 Hil­far­th zum Kreis Erke­lenz kam, über­nahm die Stadt- und Kreiss­parkasse Erke­lenz die Hil­far­ther Konten.\r\n

Quellen

  • Pfar­rar­chiv, Gemein­dearchiv, Heins­berg­er Heimatkalen­der 1926, 1931

Footnotes

  1. Nach Hein­rich Ter­berg­er (Heimatkalen­der der Heins­berg­er Lande 1926, S. 79) wur­den bei Hil­far­th Urnen und Münzen aus der Zeit Kaiser Hadri­ans, 117 – 138 n. Chr., gefunden.
  2. Bei „Hil­far­th“ (Wikipedia) heißt es, das Gebi­et an der Ein­mün­dung der Kaphof­s­traße in die Bre­ite Straße werde „Em Span­sch“ („Im Spanis­chen“) genan­nt. Hier wird als Erk­lärung für diese Beze­ich­nung gesagt, die heutige Kaphof­s­traße und die Ver­längerung an Kaphof vor­bei habe im 16./17. Jahrhun­dert zur Gren­ze zu den Spanis­chen Nieder­lan­den geführt. Etwa an der Ein­mün­dung des Teich­bachs in die Rur, nahe der Gast­stätte „Zur Schanz“,  sei ein Gren­züber­gang gewesen. 
  3. Berech­ti­gun­gen oder Verpflich­tun­gen, die an ein Grund­stück gebun­den waren
  4. Lam­bert Henßen,  (1776 – 1818), Brud­er des langjähri­gen Hil­far­ther Bürg­er­meis­ters Cas­par Henßen (1782 – 1845)
  5. In der Frühzeit der Gemeinde / Bürg­er­meis­terei Hil­far­th gab es die Per­son­alu­nion mit Drem­men noch nicht.  Aus der Chronik der Bürg­er­meis­terei Hil­far­th, in der die Jahre 1848 – 72 fehlen, geht her­vor, dass die Per­son­alu­nion 1873 schon bestanden hat. Die Per­son­alu­nion mit  Drem­men wurde „mit dem 1. Feb­ru­ar 1923 aufge­hoben“. [Chronik, S. 116] Am gle­ichen Tag trat Friedrich Bell seinen Dienst als Hil­far­ther Bürg­er­meis­ter an. Er blieb Bürg­er­meis­ter bis Anfang 1932; dann wurde er Bürg­er­meis­ter in Wassen­berg. In Hil­far­th wurde die Stelle des Bürg­er­meis­ters nicht mehr beset­zt. Die Dien­st­geschäfte des Bürg­er­meis­ters wur­den vom 1. Beige­ord­neten, „Ehren­bürg­er­meis­ter“ Goeres wahrgenom­men. Am 1.10.1935 fiel Hil­far­th an die neu gebildete Gemeinde Hück­el­hoven.
    Aus der Chronik der Bürg­er­meis­terei Hil­far­th geht auch her­vor, daß 1822/23 die Bürg­er­meis­terei Hil­far­th ganz aufgelöst wer­den sollte: „Am 13. Mai [1822] wurde vom hohen Min­is­te­rio des Innern genehmigt, daß die Bürg­er­meis­terei Hil­far­th  aufgelöst wer­den und mit dem Anfang des Jahres 1823 die Gemeinde Hil­far­th zu Brache­len und die Gemeinde Porse­len zu Drem­men in die Bürg­er­meis­terei-Ver­bände gehören soll­ten. Die Aus­führung dieser Maßregel wurde später vor der Hand aus­ge­set­zt.“ [Chronik, Seite 16] Die Hil­far­ther wandten sich mit ein­er Bittschrift um den Fortbe­stand der Bürg­er­meis­terei an die Regierung in Aachen, und der Bürg­er­meis­ter wandte sich sog­ar an das „Hohe Min­is­teri­um“. Daraufhin wurde von der Auflö­sung Abstand genom­men. [Chronik 1923, S, 17]
  6. Der Abschnitt über den Kapp­busch basiert auf den Auf­sätzen „Der Kapp­busch“ von W. J. Spehl   im Heimatkalen­der der Heins­berg­er Lande 1931 (Seit­en 80 – 82)  und „Der let­zte Wolf im Rur-Schwalmge­bi­et“ von Edmund Knorr im Heimatkalen­der der Heins­berg­er Lande 1926 (Seit­en 39 – 42)
  7. Strafe. „Nul­la poe­na sine lege“ – keine Strafe ohne Gesetz
  8. In den bei­den Artikeln im Heimatkalen­der 1926 habe ich keinen Hin­weis darauf gefun­den, daß ein Kaiser hier gejagt hat. Wohl habe nach ein­er Sage der Jülich­er Her­zog, der Kaiser Sigis­mund bei der Krö­nung in Aachen eine Kappe geschenkt hat, zum Kaiser gesagt, er habe noch eine bessere Kappe, und das sei die Kappe bei Brache­len. (Spehl, S. 80)
  9. Statt Geilenkirchen muss es Erke­lenz heißen – dies träfe aber nur für das Hil­far­ther Gebi­et zu. Ratheim und Myhl gehörten bis 1932 auch zum Kreis Heins­berg; Wassen­berg eben­falls und noch bis 1971 zum Kreis Geilenkirchen-Heinsberg.
  10. Foto auf Seite 109 in: Hel­mut Henßen, Die Berichter­stat­tung der Lokalzeitungen…
  11. In der Chronik der Bürg­er­meis­terei Hil­far­th (1831, S. 30) wird das Jahr 1774 als Erbau­ungs­jahr genan­nt. Allerd­ings wurde die Brücke nicht am Kies­play errichtet, son­dern unge­fähr da, wo sich auch die heutige Brücke befind­et. In der Tran­chot-Karte (1803–1813) und der Flurkarte III des preußis­chen Urkatasters von 1824 ist die Rur­brücke eben­falls am heuti­gen Stan­dort eingeze­ich­net. In seinem Artikel „Die Rur­brücke in Hil­far­th“ im Heimatkalen­der des Kreis­es Heins­berg 1974 hat Franz Moll  nicht mehr behauptet, die erste Brücke habe am Kies­play gestanden.
  12. Hier ist Franz Moll ein Fehler unter­laufen, den er in seinem Artikel „Die Rur­brücke“ in Hil­far­th“ im Heimatkalen­der des Kreis­es Heins­berg 1974, S. 83, richtiggestellt hat. Dort schreibt Franz Moll: „Doch schon 1792 wurde ihnen die Brücke, eine Holzbrücke wie die anderen an der unteren Rur, abge­brochen. Als näm­lich die ver­bün­de­ten Öster­re­ich­er und Preußen, auch Kaiser­liche genan­nt, nach der Kanon­ade von Valmy (Nord­frankre­ich) vor den franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion­strup­pen ost­wärts zurück­wichen und die Rur erre­icht­en, ‚haben die Kaiser­lichen die Brück­en über die Rur abge­bran­nt.  Am Wei­h­nacht­stag haben die Kör­ren­ziger nach Hil­far­th gemußt, um die dor­tige Brücke abzubrechen.‘ Man geht sich­er nicht fehl in der Annahme, daß die Hil­far­ther selb­st sich weigerten, ihre Brücke zu zer­stören.“
    In der Rurich­er Chronik 1792 bis 1822 des Bürg­er­meis­ters Peter Chris­t­ian Mertens (Erke­lenz 1930) heißt es dazu: „Anno 1792 den 24ten Dezem­ber ist die Kaiser­liche Armee aus Frankre­ich durch Bra­bant und das Lüt­tich­er Land von den Fran­zosen geschla­gen wor­den bis in das Jülich­er Land. Daher haben die Kaiser­lichen die Brück­en über den Rurstrom abge­bran­nt […] Auf Wei­h­nacht­stag Nach­mit­tag haben die Kör­ren­ziger nach Hil­far­th gemußt, die dor­tige Brücke abzubrechen […]“
    Wil­helm Keller aus Hil­far­th schreibt in sein­er Chronik: 
    „1793 […] Die Fran­zosen haben ganz Bra­bant auch Aachen und Koblenz ein­genom­men, und sind die Kaiser­lichen am Rhe­in­strom bis hier an der Roer herumge­zo­gen, haben die Brück­en von Düren, Jülich, Lin­nich, auch unsere Brücke am Son­ntag vor Neu­jahr 1793 abge­brochen.
    Nun haben die Fran­zosen den Roer­strom ganz beset­zt. Am 18. Jan­u­ar 1793 haben wir auch unge­fähr 250 Mann bekom­men, die hier die Wacht hal­ten sollen und patrouil­lieren, die wech­sel­ten bald alle Tage Kugeln mit den Kaiser­lichen über die Roer herüber. Ein­mal des Nachts hat­ten wir einen großen Schreck­en im Dorf, nie­mand durfte aus seinem Hause gehen, die Brück­en und Stege über die Roer sind alle von den Kaiser­lichen abge­brochen, weil die Kaiser­lichen mit einem kleinen Heer in und um Aachen standen, und wichen vor dem franzö­sis­chen Heer zurück über die Roer.  […]“ 
    In der ersten Schlacht von Alden­hoven am 1.3.1793 siegte die kaiser­liche Armee über die Fran­zosen. Die Fran­zosen wur­den vorüberge­hend aus dem Rhein­land zurückge­drängt.
    Beim erneuten Vor­marsch der Fran­zosen 1794 wur­den die Rur­brück­en von den Kaiser­lichen erneut zer­stört.
    In der Rurich­er Chronik kann man dazu lesen: „ […] Den 27. Sep­tem­ber [1794] sind die Kaiser­lichen auf Jülich, Düren und Rur­mond retiri­ert, haben zu Lin­nich dies­seits der Rur […] eine Bat­terie aufge­baut gegen Lin­nich und die Vorstadt. Haben von Bre­it­en­bend bis an die Vorstadt alle Bäume wegge­hauen. Aus dem Amt Boslar haben drei­hun­dert Bauern drei Tage lang arbeit­en müssen. Aus unserem Dorf haben alle Tage 8 Mann daran gear­beit­et. Die Lin­nich­er Brücke, so kaum ein Jahr neu gemacht, haben sie wiederum abge­brochen, die Bret­ter lose darauf gelegt. Das Cör­ren­ziger Steeg ist auch abge­brochen, wie auch die Hil­far­ther Brücke und die Brücke von Vlo­drop. Zu Effeld hat eine Kaiser­liche Armee ges­tanden, zu Lin­nich auch eine, wie auch zu Jülich und Düren […]“ 
    In der Keller­chronik heißt es dazu: „ […] 1794 […]  Die Brücke ist uns zweimal abge­brochen. Das erste Mal hat unser Schef­fen Sell sie auf­bauen lassen, der hat das Geld dafür vorgeschossen, auch für anderes, so daß das Dorf ihm 500 Reich­sthaler schuldig ist.“  (Chronik des Ack­er­ers Wil­helm Keller aus Hil­far­th, in: Heimatkalen­der der Heins­berg­er Lande 1928, S. 34 ff.)
    Am 2.10.1794 siegten die Fran­zosen in der zweit­en Schlacht von Alden­hoven und am 3.10. nah­men sie die Fes­tung Jülich ein. 
  13. Nach der Chronik der Bürg­er­meis­terei Hil­far­th (1824, S. 19) wurde eine neue Rur­brücke 1824 „einige Schritte unter­halb“ der alten Brücke erbaut. 1831 wird in der Chronik ver­merkt (S. 30), dass man von 1774 bis 1831 „fortwährend“ Brück­en­geld bezo­gen hat. Nach den Abbrüchen 1792 und 1794 muss die Brücke also bei­de Male bald wieder instand geset­zt wor­den sein.
  14. Hier stützt sich Franz Moll auf den Artikel von Hein­rich Ter­berg­er „Die Hil­far­ther Wan­n­mach­er“ im Heimatkalen­der der Heins­berg­er Lande 1926, S. 79 ff.
  15. Das ehe­ma­lige Hil­far­ther Rathaus stand neben der heuti­gen Rosen-Apotheke. Es wurde in den Jahren 1925/26 gebaut und am 14.12.1926 eingewei­ht.
    Das Gebäude, das ab 1938 als NSV-Haus genutzt wurde, wurde bei dem Luftan­griff vom 22.5.1944 stark beschädigt. Zum NSV-Haus siehe: Hel­mut Henßen, Die Berichter­stat­tung…, S. 40–42 und 62.