Abschrift aus „LA Heinsberg Nr. 580 — Eisenbahn Baal – Wassenberg — Dalheim“ im Landesarchiv Düsseldorf
Abgeschrieben von Helmut Henßen, Im Kämpchen 37, 42279 Wuppertal
„An die
Königliche Eisenbahn-Direction
Köln
Hilfarth, den 20. Dezember 1897
Bitte um Rücksichtnahme auf die Verkehrsverhältnisse der Gemeinde Hilfarth im Kreise Heinsberg bei Ausbau der projectierten Linie Jülich – Baal – Wassenberg – Dalheim
Der Königlichen Eisenbahndirection Köln dürfte bekannt sein, daß dem […] Herrn Honigmann zu Aachen auf Grund der in hiesiger Gegend stattgehabten Bohrungen auf Steinkohlen von der Bergbaubehörde ca. 30 Concessionen erteilt worden sind. Nach den bestimmten Erklärungen des Herrn Honigmann soll nun zu Anfang des kommenden Jahres mit der Anlage eines ersten Schachtes in der Nähe des Dorfes Hückelhoven begonnen werden.
Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Königliche Staatsregierung unter der Voraus-setzung, daß diese Thatsache eintritt, eine Eisenbahnverbindung zwischen Jülich – Baal – Wassenberg – Dalheim herzustellen. Auf der Teillinie Baal – Wassenberg dürfte als bedeutendster Industrieort das Dorf Hilfarth in Betracht kommen. Die Unterzeichner, Bewohner der Gemeinde Hilfarth, richten daher an die Königliche Eisenbahndirection Köln die ergebenste Bitte, bei Ausbau der projectierten Strecke in möglich nächster Nähe des Ortes eine Bahnstation in Aussicht nehmen zu wollen.
In Nachstehendem gestatten wir uns, auf die Bedeutung unserer Gemeinde im Erwerbsleben ergebenst hinzuweisen und darzuthun, welches Interesse dieselbe daran hat, daß der vorausgesprochenen Bitte Rechnung getragen werden möchte.
Die bedeutendste Industrie unseres Ortes ist die Herstellung von Korbwaren. Mit dem Vertriebe dieser Artikel befassen sich hauptsächlich 5 namhafte Firmen, die 675 Korbmacher und Lagerarbeiter beschäftigen, von denen allein 1/3 in Hilfarth ansässig ist. Die 5 Korbwarenhändler haben durchschnittlich einen jährlichen Versand von ca. 8650 Stückgutsendungen [?] und ca. 130 Ladungen, während für dieselben ca. 1150 Stückgutsendungen und ca. 50 Ladungen eingehen. Heute erfolgt der Versand ausschließlich unter Inanspruchnahme der ca. 1 ½ Stunden entfernten Station Baal, wohin die Sendungen mittelst der eigenen Fuhrwerke der verschiedenen Firmen ge-schafft werden. Es wird zugegeben werden müssen, daß eine derartige weite und umständliche Beförderungsweise […] die Entwicklung unserer […] nur ungünstig beeinflussen kann. Wenn sich nun trotzdem der Versand in Korbwaren von Jahr zu Jahr gesteigert hat, so ist eine weitere vermehrte Entfaltung unserer heimischen Korbwarenindustrie mit Sicherheit zu erwarten, wenn unser Ort dem Eisenbahn-verkehr erschlossen würde.
Weiterhin ist als bedeutendes industrielles Unternehmen die hiesige Strumpf-strickerei zu nennen, welche 160 Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt. Diese Firma hatte im letzten Jahr einen Ein- und Ausgang von über 1600 Ballen und Kisten. Die Fabrik ist Anfang dieses Jahres durch Neubauten erweitert worden. Die von der Leitung erstrebte Vermehrung des Arbeiterpersonals würde günstig beein-flußt werden, wenn aus den Nachbarorten noch mehr Arbeitskräfte wie bisher heran-gezogen werden könnten. Heute scheuen viele Arbeiter auf den Dörfern der Umgegend den weiten Weg zu Fuß. Haben diese aber Fahrgelegenheit nach Hilfarth mit der Eisenbahn, so wird es der hiesigen Strickerei nicht an geeigneten Arbeits-kräften zur Erweiterung des Betriebes fehlen.
Auf dem Gebiete der Gemeinde Hilfarth sind 3 Ziegeleien gelegen, die einen jährlichen Kohlenverbrauch von über 90 Wagen haben. Außerdem wir beabsichtigt, wegen der für Ziegeleien sehr geeigneten Qualität des Bodens eine Ringofenziegelei anzulegen. Dieser Plan dürfte auch sofort verwirklicht werden, falls in der Nähe des Ortes ein Bahnhof errichtet würde.
Hilfarth zählt 8 Spezerei- und 3 Manufakturwarenhandlungen, die im diesem Jahr ca. 1640 Kolli [?; Kilo?] Stückgut empfingen. Zu berücksichtigen ist hierbei, daß wegen der weiten Entfernung unseres Ortes von Station Baal der bei weitem größere Teil des Bedarfes dieser Handlungen […] angeliefert wird.
Auch der hiesigen Landwirtschaft würde eine bessere Bahnverbindung zu statten kommen. Wir erlauben uns diesbezüglich auf den bedeutenden Versand in land-wirtschaftlichen Produkten auf der Linie Heinsberg – Lindern hinzuweisen. Unsere Landwirtschaft würde der reichen […] der Rurniederung wie auch ihre sämtlichen übrigen Erzeugnisse eher und besser verwerten können. Wir zweifeln nicht, daß sich auch von hier aus ein schwunghafter Handel von Heu und Stroh entwickeln würde, wenn die weite Anfuhr nach Baal erspart bliebe. Andererseits wäre eine Steigerung in den Bezügen von Kunstdünger und Kraftfuttermitteln, der zur Zeit jährlich 5 Ladungen ausmacht, zu erwarten.
Die Stationen der Strecke Lindern – Heinsberg kommen für unseren Ort gar nicht in Betracht, schon deshalb nicht, weil dieselben im Winter wegen des Austrittes des Rurflusses gar nicht erreichen sind. Hinzu kommt noch, daß wir bei dieser Linie neben den ebenfalls beträchtlichen Entfernungen auch noch mit minder guten Wegen zu rechnen haben. Hilfarth ist daher in Bezug auf einen ungestörten Verkehr lediglich auf Eisenbahnstation angewiesen. [?] Wenn nun die projectierte Linie Baal – Doveren – Hückelhoven – Ratheim – Wassenberg am Fuße des sich an diesen Orten vorbei erstreckenden Höhenzuges ausgebaut werden möchte, so hätte die Gemeinde Hilfarth gar keinen Vorteil von der Bahn. Es ist anzunehmen, daß in diesem Falle ein Bahnhof in der Nähe des zu errichtenden Kohlenschachtes, also bei Schaufenberg, angelegt würde. Eine dort gelegene Bahnstation hätte aber für Hilfarth wegen der Entfernung und den zu überwindenden Steigungen nicht mehr Bedeutung wie die Station Baal.
Den Interessen unserer Gemeinde kann nur dadurch Unterstützung […], daß die neue Strecke von Baal durch die Niederung geführt und eine Bahnstation zwischen Hückelhoven und Hilfarth errichtet wird. Terrainschwierigkeiten sind auf diesem Wege nicht zu überwinden.
Wir wiederholen daher unsere eingangs vorgetragene Bitte um Berücksichtigung unseres Ortes. Wenn Hilfarth wieder abseits vom Eisenbahnverkehr liegen bleibt, würde dies für unseren Ort, der in den letzten 20 Jahren einen nie geahnten [?] Aufschwung genommen hat, verhängnisvoll werden. In den letzten 3 Jahren, nachdem die Gemeinde, um Bauplätze zu schaffen, Gemeindeeigentum verkauft hat, sind jährlich 10 neue Häuser erbaut worden. Damit ist aber die Bautätigkeit noch lange nicht erschöpft. Die in Hilfarth reichlich gebotene Gelegenheit zu lohnenden Arbeit sichert einen immer mehr zunehmenden Zuzug von Arbeiterfamilien.
In Vorstehendem erlaubten wir uns, ein wahrheitsgetreues Bild unserer Erwerbsverhältnisse zu geben und die Unzulänglichkeit unserer bisherigen Verkehrsmittel vor-zutragen.
Wir zweifeln nicht, daß die Königliche Eisenbahndirection Köln unsere Bitte als begründet anerkennen und die Gewährung derselben empfehlen wird.
In dieser Erwartung zeichnen
Hochachtungsvoll zu ergebenst
- Gez.: Noethlichs, Bürgermeister
- Joh. Henshen, Gemeindevorsteher
- Caspar Henhsen, Beigeordneter, Landwirt
- August Theyhsen, Korbwarenhändler
- Emil Theyhsen, Kolonialwarenhändler
- Peter Rick, Korbwarenhändler
- Heinrich Meynen, Landwirt
- Peter Windelen, Landwirt, Gemeinderat
- Hch. Müller Johs Sohn, Strickerei
- Anton Otten, Manufakturwarenhandlung
- H. Küppers, Bauunternehmer
- Math. Müller, Korbwaren- und Kohlenhandlung
- Wilh. Kamp, Spezereihandlung
- Leonhard Katzenbauer, Bäcker und Spezereihandlung
- J. H. Henhsen, Landwirt und Gemeinderat
- Lambert Henhsen, Landwirt
- Hermann Hansen, Landwirt und Gemeinderat
- Wwe. C. Wihsfeld, Kleinhandlung [?]
- Max Tetz, Bäcker
- Wwe. H. Sieben, Kleinhandlung [?]
- L. Pütz, Landwirt und Gastwirt
- Wilh. Königs, Schneidermeister
- Wilh. Cürlis, Manufakturwarenhandlung
- Caspar Mirbach, Manufaktur und Konfektionsgeschäft
- Franz Mackenstein, Korbwarenhändler
- Wilh. Abels, Gemeinderat
- Hch, Schmitz, Gastwirt und Gemeinderat
- Jakob Kohnen, Konfektionsgeschäft
- Caspar Stroemer, Korbwarenhändler
- Johann Sieben, Korbwarenhändler
- Wilh. Clahsen, Kolonialwarenhändler
- Wwe. Martino, Gastwirtin
- Hch. Schmitz, Bauunternehmer
- Ferd. Sieben, Bäcker
- Joh. Caspar Sieben, Holzhändler
- Gottfried Clahsen, Korbwarenhändler
- Wilh. Pannen, Schneidermeister
- Joh. Fell, Ziegeleibesitzer
- Diet. Henhsen, Landwirt
- Peter Weidmann, Landwirt
- Gerhard Henhsen, Landwirt
- August Theyhsen, Mitglied des Gemeinderates
Für gleichlautende Abschrift
Dremmen, den 26. Januar 1898
Der Bürgermeister von Hilfarth
Noethlichs
[Siegel der Bürgermeisterei Dremmen]
LA Heinsberg Nr. 580: Verhandelt Hilfarth, den 25. Sept. 1902
Sitzung des Gemeinderathes
Anzahl der Mitglieder
- ohne Wahl 1
- der gewählten 12
[…] 13
Anwesend waren:
- Noethlichs, Bürgermeister, als Vorsitzender
- von Scheibler, Königlicher Landrath
- von den Mitgliedern
- Joh. Henhsen
- H. Henhsen
- J. H. Henhsen
- Theyhsen
- Terberger
- Abels
- 7. Frentzen
- Cürlis
- Sieben
- Schmitz
- Mackenstein
- Clahsen
Nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden Bürgermeister machte der mitanwesende Landrath ausführliche Mitteilung über den Stand der Angelegenheit des Baues einer Staatsnebenbahn von Jülich über Baal, Hückelhoven, Ratheim, Wassenberg nach Dalheim.
Nach eingehender Berathung wurde folgender einstimmige Beschluß gefaßt:
Die Gemeinde Hilfarth verpflichtet sich für den Fall, daß seitens der Staatseisenbahn-verwaltung eine Eisenbahnverbindung von Jülich über Linnich, Baal, Hückelhoven, Ratheim, Wassenberg nach Dalheim hergestellt wird, zur Ausführung dieses Unter-nehmens, insbesondere zur Deckung der Kosten des Erwerbs des zum Bau der Bahn und der Nebenanlagen einschließlich derjenigen, welche nach § 14 des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 für nothwendig erachtet werden sollten, nach Maßgabe der vom Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten festzustellenden Projecte dauernd oder vorübergehend erforderlichen Grund und Boden in dem Umfange, in welchem derselbe nach den §§ 4 und 23 des bezogenen Gesetzes der Enteignung unterworfen ist, einen baaren Zuschuß bis zur Höhe von 10.000 Mark, in Worten zehntausend Mark, zur Entlastung des dem Staate gegenüber als Contrahenten auftretenden Kreises Heinsberg an diesen 4 Wochen nach dem Ergehen einer Zahlungsaufforderung zu zahlen.
Die Bewilligung erfolgt unter der Bedingung, daß zwischen den Orten Hückelhoven und Hilfarth eine Haltestelle für Personen und Güterverkehr errichtet wird.
Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben
/: Folgen die Unterschriften :/
Für gleichlautende Abschrift
Dremmen, den 26. September 1902
Der Bürgermeister
Noethlichs
Siegel
- Die Mitglieder H. Schmitz
- Bürgermeisterei Hilfarth Wilhelm Abels